Der Kapitalismus der Maschinen

Veröffentlicht am 3. Oktober 2025 um 16:01

Der Kapitalismus der Maschinen

Der Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, gerät durch den Aufstieg der KI in eine paradoxe Lage. Unternehmen waren bisher gezwungen, Gewinne zu erwirtschaften, diese an Aktionäre auszuschütten oder zumindest teilweise als Steuern abzuführen. Doch in einer von KI dominierten Ökonomie verändert sich dieses Muster grundlegend. KI-Unternehmen – und in naher Zukunft alle Unternehmen, die auf KI setzen – werden ihre Gewinne nicht mehr klassisch in Dividenden oder Ausschüttungen verwandeln. Stattdessen fließen die Erlöse fast ausschließlich in den Ausbau der eigenen Rechenkapazität. Jeder zusätzlich verdiente Dollar wird in GPUs, Serverfarmen und Softwareagenten investiert, weil dies die einzig sinnvolle Strategie ist, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Das führt zu einer Spirale: Wer mehr Rechenleistung anhäuft, kann Produkte schneller entwickeln, Märkte präziser analysieren und Geschäftsentscheidungen effizienter treffen. Ein Unternehmen, das Gewinne ausschütten würde, anstatt sie in neue Rechenleistung zu stecken, würde sofort ins Hintertreffen geraten. Die Konkurrenz würde es überholen – in Innovationsgeschwindigkeit, Marktanteilen und letztlich auch im Kapitalzufluss. Gewinne im klassischen Sinn verschwinden also nicht nur, sie werden geradezu zu einem strategischen Nachteil.

Damit entsteht ein neues Dilemma für den Staat. Steuern wurden traditionell auf Gewinne erhoben. Doch wenn Gewinne nicht mehr in dieser Form existieren, sondern sofort in Infrastruktur, Compute und KI-Modelle reinvestiert werden, schrumpft die Steuerbasis dramatisch. Schon heute zeigt sich, dass viele Tech-Unternehmen, die stark wachsen, kaum Gewinn ausweisen, weil alles in Expansion gesteckt wird – Amazon war lange Zeit das Paradebeispiel. Mit KI verschärft sich dieses Prinzip bis ins Extrem: KI-Unternehmen brauchen keinen Gewinn auszuweisen, um erfolgreich zu sein. Sie brauchen nur stetigen Cashflow, um neue Rechenleistung kaufen zu können.

Das Ergebnis ist ein Wettlauf ohne Ausstiegsmöglichkeit. Unternehmen können kaum aus diesem Zyklus ausbrechen, da jeder Versuch, Gewinne abzuschöpfen, sofort einen Wettbewerbsnachteil erzeugen würde. In einer Welt, in der Maschinen die besseren Manager, Strategen und Entwickler sind, entscheidet allein die Menge und Qualität der verfügbaren Rechenleistung. Kapitalismus für Menschen wird damit zunehmend obsolet, während ein „Kapitalismus für Maschinen“ entsteht.

Die Folgen sind weitreichend:

  • Steuerausfälle untergraben die Fähigkeit der Staaten, soziale Sicherungssysteme aufrechtzuerhalten.

  • Arbeitsplätze verschwinden, da KI die meisten Tätigkeiten schneller und günstiger erledigt.

  • Ungleichheit wächst, weil der Zugang zu Rechenressourcen über Macht und Wohlstand entscheidet.

  • Wirtschaftliche Dynamik konzentriert sich, da wenige Konzerne die nötige Skalierung erreichen, um im Rennen mithalten zu können.

Um diese Entwicklung zu steuern, reicht es nicht, alte Konzepte wie Unternehmenssteuern oder ein klassisches UBI zu verlängern. Solange Unternehmen gezwungen sind, ihre Gewinne vollständig in neue KI-Infrastruktur zu investieren, werden Staaten immer weniger Zugriff auf Wertschöpfung haben. Ein Ausweg könnte nur in einer völlig neuen Architektur der Geldschöpfung und Kapitalverteilung liegen – einer, die nicht länger an Gewinne und Steuern gebunden ist, sondern am Menschsein selbst.

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