Haben wir aufgehört, nach den Sternen zu greifen?

Veröffentlicht am 5. September 2025 um 20:31

Haben wir aufgehört, nach den Sternen zu greifen?

Es mag den ein oder anderen Leser verwundern, wenn ich behaupte: Wir leben in einer Zeit der Stagnation. Schließlich sind wir von Smartphones, Computern und dem Internet umgeben – Technologien, die unser Leben geprägt haben. Aber vergleichen wir unsere Epoche mit dem vorherigen Jahrhundert, wird die Diskrepanz sichtbar: Eisenbahn, Elektrizität, Auto, Flugzeug, Telefon – das waren Umwälzungen, die Gesellschaften neu formten.

Science-Fiction-Autoren und Zukunftsdenker des 20. Jahrhunderts malten sich eine Welt von heute aus, die wir nicht einmal ansatzweise erreicht haben. Fliegende Autos, Städte im All, Energie im Überfluss. Stattdessen: Optimierungen und digitale Spielereien.

Die Frage ist: Warum haben wir aufgehört, nach den Sternen zu greifen?

Der Bruch seit den 1980er Jahren

In vielen Statistiken ist ein Bruch zu erkennen: Ab den 1980er Jahren stagniert der Westen.

Kaufkraft: Das Einkommen des durchschnittlichen Bürgers wächst kaum noch.

Geburtenrate: So niedrig, dass viele Länder ihre Bevölkerung ohne Zuwanderung nicht mehr stabil halten können.

Energieverbrauch: Seit Jahrzehnten auf gleichbleibendem Niveau – dabei ist Energie der Motor jeder Gesellschaft.

Industrie: Ehemalige Zentren wie Detroit sind heute Schatten ihrer selbst.

Natürlich gab es Erfindungen seit den 80ern. Aber welche davon veränderte unser Leben so tiefgreifend wie Elektrizität oder das Automobil? Vieles, was wir feiern, sind „niedrig hängende Früchte“ – praktische Verbesserungen, aber keine neuen Zivilisationssprünge.

Verpasste Chancen

Dabei gab es Forschungsfelder, die schon früh Versprechen in sich trugen:

Nanotechnologie – die Beherrschung der Materie auf atomarer Ebene, mit unvorstellbaren Möglichkeiten für Medizin, Energie und Materialwissenschaft.

Kalte Fusion – ein potenzieller Schlüssel zu unbegrenzter, sauberer Energie.

Wir hätten längst in einer Welt leben können, in der Energie kein knappes Gut ist, in der Materialien gezielt designt werden und Krankheiten durch Nanobots bekämpft werden. Doch vieles davon kam nie über erste Forschungsansätze hinaus.

Warum wir stagnieren

Woran liegt es, dass wir diesen vielversprechenden Weg verlassen haben? Zwei zentrale Hindernisse lassen sich erkennen.

1. Einfluss von außen

Politik und Wirtschaft nutzen die Wissenschaft zunehmend für ihre eigenen Ziele. Forschung, die bestehende Strukturen bedroht, wird blockiert oder unterdrückt.

Die einen verlieren: Etablierte Branchen, die von einer neuen Technologie verdrängt würden, haben ein starkes Interesse, Innovation zu verhindern.

Die anderen erkennen ihren Gewinn nicht: Potenzielle Profiteure neuer Entwicklungen verstehen oft nicht, dass sie von Fortschritt profitieren könnten – und kämpfen deshalb nicht dafür.

2. Staatliche Kontrolle und Bürokratie

Forschung ist immer stärker von staatlicher Förderung abhängig. Politische Agenden und ideologische Vorgaben bestimmen, welche Projekte finanziert werden.

Regulierungen wachsen seit den 70ern massiv an.

Forschungskosten steigen so stark, dass nur noch große Konzerne mithalten können.

Unabhängige Garagen-Tüftler wie einst bei Auto und Flugzeug? Kaum noch möglich.

Nur der PC und später das Internet konnten sich entfalten – gerade, weil diese Bereiche lange Zeit kaum reguliert waren.

Ein kurzer Zeitstrahl der Stagnation

1940er Jahre – Krieg
Der Zweite Weltkrieg beschleunigte manche technische Entwicklungen, zerstörte aber zugleich weite Teile Europas. Der Fokus lag auf Rüstung, nicht auf zivilen Innovationen.

1950er Jahre – Erste Regulierungen
Nach dem Krieg entstanden in vielen Bereichen staatliche Strukturen, die Forschung und Industrie stärker kontrollierten. Erste große Regulierungsschritte setzten ein.

1960er Jahre – Höhepunkt und Beginn des Stillstands
Investitionen in Infrastruktur und Energie erreichten ihren Höhepunkt. Doch gegen Ende des Jahrzehnts zeichnete sich ab, dass die Energieversorgung stagniert und Bürokratien zunehmend die Forschung bestimmten.

1970er Jahre – Energiekrise und Bürokratisierung
Die Ölkrise machte Energieknappheit zum Thema. Statt neue Wege zu gehen, erstickten politische Eingriffe Innovationen. Bürokraten übernahmen die Steuerung von Forschung, was den Spielraum für kreative Experimente massiv einengte.

1980er Jahre – Regulierung, Kostenexplosion, Ideologie
Immer mehr Verordnungen verhinderten private Entwicklungen. Forschung wurde so teuer, dass nur noch große Unternehmen mithalten konnten. Die Sozialausgaben hatten sich seit den 1960ern verdreifacht, Ressourcen für Innovationen schrumpften. Gleichzeitig gewann die Umweltbewegung großen Einfluss – und blockierte ganze Technologiepfade wie die Kernenergie.

Der kulturelle Wandel: Sicherheit statt Risiko

Neben Politik und Bürokratie hat auch die Gesellschaft selbst Anteil an der Stagnation.

Die Bewegungen der 60er und 70er Jahre schufen ein neues Sicherheitsdenken. Aus nachvollziehbaren Gründen: man wollte Frieden, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung. Doch damit verschwand auch ein Stück Pioniergeist.

Statt nach vorne zu wagen, bevorzugte man den Status quo. Man richtete sich in einer „verwalteten Welt“ ein – und blickte misstrauisch auf technischen Fortschritt.

Aus einer Kultur des Wagnisses wurde eine Kultur der Vorsicht. An die Stelle von Entdeckergeist traten Ideale wie Nachhaltigkeit, Verzicht und moralische Selbstvergewisserung.

Energie – die übersehene Grundlage

Energie ist die treibende Kraft jeder Gesellschaft. Ohne sie gibt es keinen Wohlstand, keine Forschung, keine Industrie.

Doch seit den 70ern stagniert unsere Energieverfügbarkeit. Statt neue Wege zu gehen, haben wir uns selbst Fesseln angelegt:

Kernenergie wurde verteufelt und zurückgebaut.

Forschung in alternative Atomtechnologien praktisch eingestellt.

Politischer Fokus fast ausschließlich auf Wind- und Solarenergie.

Wir hätten längst über atomgetriebene Batterien oder Mini-Reaktoren verfügen können. Energie im Überfluss – und damit unbegrenzte Chancen. Stattdessen zahlen wir immer höhere Preise und rationieren unseren Fortschritt.

Die Frage ist: Was wäre möglich, wenn jeder Mensch Zugang zu nahezu unbegrenzter Energie hätte?

Raumfahrt – die große verpasste Vision

Noch deutlicher zeigt sich die Stagnation in der Raumfahrt.

Nach den Erfolgen der 60er und 70er Jahre – Mondlandung, Space Shuttle – trat Stillstand ein. Erst private Akteure wie SpaceX haben den Traum vom All wiederbelebt.

Doch eine große Vision fehlt. Statt über Kolonien im All oder Rohstoffabbau auf Asteroiden zu diskutieren, beschäftigen wir uns mit der Verwaltung der Erde.

Dabei lautet die eigentliche Frage:
Wollen wir die Erde nur verwalten – oder wollen wir den nächsten Schritt in der Geschichte der Menschheit gehen?

Die Wahl liegt bei uns

Wir stehen vor einer Entscheidung.

Der eine Weg: mehr Regulierung, mehr Verzicht, mehr Sicherheitsdenken. Eine Gesellschaft, die ihre Ängste verwaltet und sich an ideologischen Projekten festhält.

Der andere Weg: Forschung, Freiheit, Entdeckergeist. Eine Gesellschaft, die wieder wagt, groß zu denken – und die Technik nutzt, um Probleme zu lösen statt sie zu vermeiden.

Technik, nicht Ideologie, hat die Menschheit immer vorangebracht. Eisenbahn, Elektrizität, Auto, Flugzeug, Computer – sie alle entstanden nicht, weil jemand verzichtete, sondern weil jemand riskierte.

Wenn wir wieder den Mut finden, nach den Sternen zu greifen, kann auch das nächste Jahrhundert ein Zeitalter des Fortschritts werden.


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