Geschichte der Österreichischen Schule

Veröffentlicht am 3. September 2025 um 20:26

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Die Geschichte der Österreichischen Schule

1. Die Wurzeln: Freiheit und Ordnung


Schon im alten Rom entstand die Idee, dass eine Gesellschaft Regeln braucht, die für alle gelten – nicht nur für die Mächtigen. Das römische Recht legte fest, wie Menschen miteinander leben und handeln können.
Über die Jahrhunderte prägte ein Spannungsverhältnis Europa: die Freiheit des Einzelnen gegen die Macht des Herrschers.

Im Mittelalter war es der Adel und die Kirche, die Macht ausübten. Doch immer wieder gab es Gegenbewegungen: etwa die Magna Carta (1215), die erstmals die Rechte der Bürger gegen den König festschrieb.

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert kam ein weiterer Gedanke auf: Jeder Mensch kann selbst entscheiden, selbst lesen, selbst denken – ohne Vermittlung durch eine Autorität.

In der Aufklärung und den Revolutionen des 18. Jahrhunderts (Amerikanische und Französische Revolution) wurde daraus ein politisches Programm: Das Individuum soll frei sein, nicht bloß ein Zahnrad in einer Maschine.

Diese lange Tradition legte den geistigen Boden für den Kapitalismus – verstanden nicht als Gier, sondern als freier Tausch zwischen freien Menschen.

 

2. Entstehung der Österreichischen Schule (1871)


Im 19. Jahrhundert veränderte die Industrielle Revolution das Leben radikal: Fabriken, Eisenbahnen, neue Technologien. Millionen Menschen zogen vom Land in die Städte. Europa suchte nach Erklärungen: Wie funktioniert diese neue Wirtschaftswelt?

Die damalige Ökonomie war stark geprägt von objektiven Werttheorien. Viele glaubten, Waren hätten einen „natürlichen“ oder „angeborenen“ Wert, der sich aus Arbeit oder Material zusammensetzt.

Doch in Wien erschien 1871 ein Buch, das diese Sicht auf den Kopf stellte: Carl Menger veröffentlichte die Grundsätze der Volkswirtschaftslehre.
Seine Erkenntnis:

Der Wert entsteht nicht durch Dinge selbst, sondern durch die subjektive Einschätzung der Menschen.

Ein Glas Wasser ist in der Wüste unbezahlbar, in einem Flussbett wertlos.

Märkte sind keine Maschinen, sondern ein Geflecht aus menschlichen Entscheidungen.

Diese Sichtweise war revolutionär. Sie legte den Grundstein für die Österreichische Schule der Nationalökonomie.

 

3. Ausbau durch Böhm-Bawerk und Wieser


Mengers Schüler entwickelten die Ideen weiter:

Eugen Böhm-Bawerk erklärte Kapital und Zins. Er zeigte, dass Menschen Zukunft und Gegenwart unterschiedlich bewerten – heute konsumieren oder für morgen sparen.

Friedrich von Wieser prägte das Konzept der Opportunitätskosten: Jede Entscheidung bedeutet, auf etwas anderes zu verzichten.

Die Welt erlebte zu dieser Zeit wirtschaftliche Krisen, politische Umbrüche und soziale Spannungen. Sozialistische Bewegungen gewannen Zulauf, weil viele Arbeiter das Gefühl hatten, in den Fabriken nur ausgebeutet zu werden.
Die Österreichische Schule setzte dem die Botschaft entgegen: Nicht der Markt ist das Problem, sondern das Fehlen echter Freiheit. Nur wenn Preise und Märkte wirken dürfen, können Wohlstand und Fortschritt entstehen.

 

4. Sozialismus vs. Markt


Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sozialistische Ideen immer populärer. Viele Menschen hofften, dass durch Planwirtschaft soziale Ungleichheit beseitigt werden könne. Die Faszination war groß: eine Gesellschaft wie eine Fabrik zu steuern, erschien logisch und modern.

Doch die Österreicher hielten dagegen:

Kein Planer kann das unendliche Wissen erfassen, das Millionen Menschen täglich in ihren Entscheidungen verarbeiten.

Preise sind Signale, die Knappheit und Nachfrage sichtbar machen – ohne sie wird die Wirtschaft blind.

Damit entstand ein erbitterter Streit, der die Ökonomie bis heute prägt.

5. Ludwig von Mises – der große Kritiker des Sozialismus


Ludwig von Mises veröffentlichte 1922 Die Gemeinwirtschaft. Darin stellte er die berühmte These vom „Wirtschaftsrechenproblem“ auf:

In einer Planwirtschaft fehlen echte Preise.

Ohne Preise kann niemand wissen, ob ein Projekt sinnvoll ist oder Ressourcen verschwendet.

Deshalb ist Sozialismus nicht nur ineffizient, sondern prinzipiell unmöglich.

Die Umstände waren dramatisch: Europa lag nach dem Ersten Weltkrieg am Boden, viele suchten Halt in radikalen Ideen – Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus. Mises’ Warnung ging unter, doch sie sollte bald durch die Realität bestätigt werden.

 

6. Friedrich August von Hayek – Verteidiger der Freiheit


Hayek, Schüler von Mises, führte die Schule ins 20. Jahrhundert.
Er lebte in einer Zeit, in der Sozialismus, Faschismus und Nationalsozialismus die Welt erschütterten. Millionen glaubten an große „Gesellschaftsmaschinen“, die Wohlstand für alle schaffen sollten – koste es, was es wolle.

Hayeks Antwort war sein Werk Der Weg zur Knechtschaft (1944). Darin zeigte er:

Planwirtschaft zerstört nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Freiheit des Menschen.

Wenn Menschen nicht mehr selbst entscheiden dürfen, werden sie zu Zahnrädern im Getriebe einer Maschine.

Am Ende steht nicht Gleichheit, sondern Knechtschaft.

Hayek verknüpfte ökonomische Theorie mit dem langen europäischen Freiheitskampf: von der Magna Carta über die Reformation bis zur Aufklärung. Seine Botschaft: Sozialismus dreht dieses Rad zurück.

 

7. Nachkrieg und Wiederaufleben


Nach 1945 dominierten in Europa und vielen Teilen der Welt sozialstaatliche und keynesianische Modelle. „Dritter Weg“ war das Schlagwort: man wollte den Markt zähmen und zugleich planen.

Doch Hayek und Mises blieben die intellektuellen Gegenspieler. 1974 erhielt Hayek den Nobelpreis für Wirtschaft – eine späte Anerkennung für die Österreichische Schule.
Ihre Ideen überlebten in Denkern wie Murray Rothbard, Israel Kirzner und vielen libertären Bewegungen.

 

8. Fazit – Die österreichische Perspektive


Die Österreichische Schule lehrt:

Märkte sind keine Maschinen, sondern lebendige Prozesse menschlicher Entscheidungen.

Wohlstand entsteht nicht durch Planung, sondern durch Freiheit, Eigentum und freiwilligen Tausch.

Sozialismus mag verheißungsvoll klingen, führt aber unvermeidlich zu Unterdrückung und Knechtschaft.

Hayek brachte diese Einsicht in die Sprache der Politik:
Ohne Freiheit gibt es keine Menschlichkeit.


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